Buchtipp
Thilo Bode: "Die Freihandelslüge - Warum TTIP nur den Konzernen nützt und uns allen schadet."
Deutsche Verlagsanstalt, 1. Auflage. Erschienen im März 2015
Freihandel ist sicher generell nichts Schlechtes, aber bitte
nicht auf Kosten der Verbraucher und der Umwelt. Aber es geht beim TTIP
leider weniger um Abbau von Zöllen und Einfuhrbeschränkungen, sondern
zu einem großen Teil um sogenannte nicht-tarifäre Handelshemmnisse.
Das europäische
Vorsorgeprinzip - Das Unternehmen muss nachweisen, dass
ein von ihm in den Verkehr zu bringender Stoff unbedenklich für Natur
und Umwelt ist – steht unversöhnlich dem Nachsorgeprinzip der USA - Die
Behörden müssen nachweisen, dass ein bereits in den Verkehr gebrachter
Stoff gefährlich ist, was nahezu unmöglich ist – gegenüber. In der
Chemie- und Lebensmittelindustrie stellt diese Beweislast der
Unternehmen ein großes Handelshemmnis dar.
Arbeitnehmerrechte,
wie sie für uns in Europa selbstverständlich sind, wie:
gewerkschaftliche Organisation, Streikrecht, Tarifverträge, gleicher
Lohn für gleiche Arbeit, Mindestalter bei Arbeitseintritt, Verbot der
Diskriminierung wegen Rasse, Hautfarbe, Geschlecht Religion usw. ,
Verbot der Kinderarbeit sind in den USA zu einem sehr großen Teil noch
Ausnahme und stellen aus der Sicht der USA ebenfalls ein Handelshemmnis
dar.
Die Kennzeichnungspflicht
gentechnisch veränderter Lebensmittel, das Verbot des Einsatzes von
Wachstumshormonen bei Fleisch- und Milcherzeugung, strengere
Tierhaltungsvorschriften in der EU hemmen außerdem den Handel. Thilo
Bode zeigt am Beispiel von bestehenden Investitionsschutzabkommen auf,
dass dies immer zur Folge hatte, dass man sich im gegenseitigen
Einverständnis auf die weichere Regelung geeinigt („harmonisiert“) hat.
Es sei nicht davon auszugehen, dass sich die USA auf diese Standards
einlässt.
Wenn diese und weitere „Hemmnisse“ erst einmal anerkannt sind, kommen
die Schiedsgerichte
in’s Spiel, die, weitab jeglicher demokratischer Legitimierung – unter
anderem können die Richter aus spezialisierten, privaten
Anwaltskanzleien, die am Streitwert verdienen, von den Konzernen
ausgesucht werden – zwischen Konzernen wegen entgangener Gewinne und
irgendeinem Staat vermitteln sollen. Die Praxis zeigt, dass bisher in
mehr als 80% der Fälle zugunsten der Konzerne entschieden wurde.
Prominentes Beispiel ist der schwedische Konzern Vattenfall, der vor
einem Schiedsgericht erwirken konnte, dass die von der Stadt Hamburg
für das im März ans Netz gegangene Steinkohle Kraftwerk Moorburg
geforderten Umweltauflagen (Filteranlagen usw.) nicht umgesetzt werden
mussten. Zusätzlich will sich das Unternehmen die angeblich entgangenen
Unternehmensgewinne von 4,7 Milliarden Euro durch den Ausstieg aus der
Atomkraft beim deutschen Staat über ein Schiedsgericht holen, Ausgang
ungewiss, aber mindestens jahrelange Prozesskosten, die wir mit unseren
Steuern zahlen.
Auf die Staaten kommen hier Forderungen in ungeahnter Größe zu, die die
Steuerzahler tragen müssen. Der Autor gibt zu bedenken, dass die Folge
sein wird, dass vor einer Verbesserung von Verbraucherschutz,
Arbeitnehmer-Gesundheitsstandards die Konzerne konsultiert werden, oder
diese Standards erst gar nicht in Betracht gezogen werden. Schon jetzt
sei für die Dauer der Verhandlungen zu sehen, dass
Verbesserungsmaßnahmen beim Verbraucherschutz usw. verschleppt oder
ausgesetzt würden.
Ein Parlament, ein Grundgesetz, demokratische Grundstrukturen,
nationale Souveränität bis hinunter zu kommunalen Fragen (z.B.
Wasserversorgung) sind entmachtet und vom Wohl und Wehe der
Konzerninteressen abhängig gemacht, das Gemeinwohl steht nicht mehr im
Fokus.
Für Thilo Bode gibt es daher nur ein Fazit: TTIP stoppen!
Das Buch ist sehr empfehlenswert und in der Gemeindebücherei Schwarzenbruck ausleihbar.
Wer am 18. April in Nürnberg gegen TTIP nicht dabei sein konnte, aber
dennoch ein Zeichen setzen möchte, dem sei hier der Aufruf zur
Unterzeichnung der selbstorganisierten, europäischen Bürgerinitiative
„STOP TTIP“ empfohlen ( https://stop-ttip.org/de/ ).
Die Unterschriftenaktion läuft noch bis Oktober 2015.
Stefan Peipp