Buchtipp
Befreiung vom Überfluss:
Auf dem Weg in die Postwachstumsökonomie
Niko Paech
Oekom-Verlag; April 2012
„Souverän ist nicht, wer viel hat, sondern wer wenig braucht.“
Dieser Satz aus seiner 155 Seiten starken Streitschrift fasst
eigentlich ganz gut zusammen, was der Wachstumskritiker und Professor
am Lehrstuhl für Produktion und Umwelt an der Universität Oldenburg von
unserem auf Wachstum und Arbeitsteilung basierenden Wirtschaftssystems
hält. Unser Wachstum basiert einerseits auf einer umfassenden
ökologischen Plünderung, in der die menschliche Gesellschaft ständig
über ihre Verhältnisse auf Kosten zukünftiger Generationen lebt. Die
Arbeitsteilung entfremdet den Menschen zusätzlich von den Ergebnissen
seiner Arbeit. Eine weitreichende Unzufriedenheit ist die Folge, die
dem Glücksverständnis des einzelnen abträglich ist. Glück sucht der
einzelne im Konsum: das neueste Auto, ein Handy mit noch mehr
Funktionen, usw. Produkte, die wiederum nur durch eine noch
„effizientere“ Arbeitsteilung möglich sind. Mit der schuldenbasierten
Finanzierung geht der Staat mit schlechtem Beispiel voran. Kümmern um
viele Konsumgüter verschlingt Zeit, Geld, Raum und ökologische Güter.
Wertschöpfung kann nicht mehr länger von ökologischen Schäden und
sozialen Ungerechtigkeiten entkoppelt werden. Ab einem gewissen Niveau
bewirken Zunahmen von Einkommen und Konsum keine weitere Steigerung des
individuellen Wohlbefindens. Hunger, Armut und Verteilungs-
ungerechtigkeit wurden und werden nachweislich nicht durch die
Wachstumswirtschaft bekämpft, eher im Gegenteil. Die Verknappung aller
Bodenressourcen macht ein Umsteuern notwendig.
- Entrümpelung und Entschleunigung (Suffizienz): Ökonomisch ist es, sich zu entledigen von allem, was nur minimalen Nutzen liefert, aber unnötig Zeit und Ressourcen frisst.
- Balance zwischen Fremdversorgung und Selbstversorgung (Subsistenz): Um nicht mehr länger nur der Fremdversorgung ausgeliefert zu sein, muss Verbrauch und Produktion lokal wieder näher beieinander sein. Eigene Kompetenzen, manuelle Fertigkeiten müssen in ein System lokaler Wertschöpfung eingebracht werden. Beispiele für diese De-Globalisierung sind Community-Gärten (z.B. BluePingu in Nürnberg), Tauschringe, Netzwerke der Nachbarschaftshilfe, Verschenkmärkte, Einrichtungen zur Gemeinschaftsnutzung von Geräten/Werkzeugen etc.
- Nutzungsdauerverlängerungen von Produkten durch Reparieren, stoffliches Aufarbeiten.
- Regionalwährungen (bekanntestes Beispiel in Bayern ist der in der Region um Traunstein ausgegebene Chiemgauer) können die Kaufkraft an die Region binden und damit von globalisierten Transaktionen abkoppeln.
- Umweltbeanspruchungen müssen durch die Politik in die Wirtschaft
eingepreist werden. Paech schlägt hierfür für jeden Erdenbürger ein
handelbares Emmissionskontingent von 2,7 Tonnen CO2 vor.
(zum Vergleich: der durchschnittliche Deutsche braucht etwa 11 Tonnen)
Ich selbst konnte Niko Paech auf einer Veranstaltung zum Thema im
Kulturbahnhof Ottensoos erleben. Er selbst lebt diesen von ihm
empfohlenen neuen Lebensstil vor. Seine früheren 40 Wochenstunden
Erwerbsarbeit teilt er in jetzt 20 Stunden Erwerbsarbeit und 20 Stunden
entkommerzialisierten Bereich auf, in der er sich neue Fertigkeiten
aneignet, seine Vision weiterträgt und so für die Allgemeinheit
arbeitet. Professor Paech besitzt kein eigenes Auto und steigt in
keines. Angereist ist er mit der Bahn, die letzten Kilometer von Lauf
nach Ottensoos kam er zu Fuß.
Gefragt nach seiner persönlichen CO2-Bilanz antwortet er mit etwa 7
Tonnen, was aber durch seine Bahnfahrten für die intensiven
Vortragstätigkeiten in ganz Deutschland begründet ist. Normalerweise
läge er bei weit unter 2,7 Tonnen.
Man mag von seinen persönlichen Anspruch an sich halten, was man
will.
Er zeigt jedenfalls, dass es geht, sich weniger von unserem
Wirtschaftswachstum abhängig zu machen. Ich jedenfalls war sehr
beindruckt.