Buchtipp
„Die Kultur der Reparatur“ von Wolfgang W. Heckl
Goldmann Verlag, 2015
Der Klappentext machte mich neugierig: „Kaufst Du noch oder reparierst
Du schon?“.
Man hat oft den Eindruck, dass heutzutage Dinge oft so produziert
werden, dass sie schon nach kurzer Zeit kaputt gehen. Wir leben in
einer Überflussgesellschaft, in der man immer Neues haben muss, die
Produktzyklen werden immer kürzer, das Alte wird immer schneller
weggeworfen. Das Verständnis, wie ein Toaster, ein Staubsauger, ein
Radio funktioniert, geht verloren.
In Anbetracht der endlichen Ressourcen auf dem Planeten ist das sehr
bedenklich. Es zeichnet sich aber eine Gegenbewegung ab, an dessen
Spitze sich Wolfgang W. Heckl, Physiker und Generaldirektor des
Deutschen Museums München mit seinem Buch stellt. Dem Ausgeliefertsein,
„Sklave der Technologie“ zu sein, so Heckl, setzte sich 2009 in
Amsterdam das erste „Repair Café“ entgegen, in dem Menschen
zusammenkommen, ihre kaputten Dinge reparieren lassen (Beim Zuschauen
kann man viel lernen!) oder unter Anleitung selbst reparieren, aus
alten Kleidern neue individuelle Designerware kreieren,
Ersatzteilempfehlungen austauschen. So entsteht ein neues
Selbstbewusstsein, Kontakte werden geknüpft, man tauscht sich aus,
hilft einander, lernt viel über die Funktion und den Aufbau von
technischen Geräten, ist kreativ, schult sein analytisches Denken, baut
aus alten Dingen Neues und hat viel Spaß dabei. Eine neue „Kultur der
Reparatur“ war geboren, aus der „Wachstumsgesellschaft“ mit ihrer
Ausbeutung von Menschen, Boden, Umwelt, Lebensgrundlagen wird eine
Reparaturgesellschaft, die wertschätzend, achtsam mit den Dingen
umgeht, repariert und wiederverwendet.
Heckl, der selbst liebend gern repariert (er schreibt auch, wie es dazu
kam), schafft es in einer für den Laien sehr verständlichen und
unterhaltsamen Form, mich mit seiner Lust an der Reparatur anzustecken.
Klasse fand ich auch sein Reparaturtagebuch im August 2012 im Urlaub,
wo er für jeden Tag mindestens eine Reparatur auflistet. Das alles
macht Mut, sich wieder ein bisschen Autonomie zu verschaffen
und es selbst einmal zu probieren. Selbst wenn sich eine Sache mal
nicht reparieren lässt, hat man meistens viel dabei gelernt und es
zumindest versucht.
Also los! Geht doch: der Lautstärkeregler an meinem alten Radio
„kracht“ nicht mehr, die Türen am Küchenschrank schleifen und wackeln
nicht mehr.
Als Nächstes werde ich, neugierig gemacht, mal an einem
Reparaturcafé Termin teilnehmen. Wollen Sie auch?
Hier die Adressen in der
Region:
Fab Lab
Region Nürnberg e.V. (www.fablab-nuernberg.de)
Muggenhofer Straße 141, 90429 Nürnberg
Repair-Café
Altdorf (www.repaircafe-altdorf.de)
Kindercafé KAKAU, Röderstraße 5, 90518 Altdorf
Zugang von der Ohmstraße aus
normalerweise jeden letzten Samstag im Monat ab 14 Uhr, s. Termine
Weitere sehr interessante Infos auf den Seiten des Netzwerk
der Reparatur-Initiativen
(z.B. Reparaturanleitungen, Ersatzteile,
Tipps)
www.reparatur-initiativen.de/seite/links
So sieht gelebte Nachhaltigkeit aus. Wir packen wieder selbst
an.
Wir sehen uns im Reparatur-Café!
Stefan Peipp