Kein Netzausbau für
Kohlestrom
Veranstaltet von "Runder-Tisch- Energie Winkelhaid" unter der
Schirmherrschaft des BUND präsentierten sich neben den Unterstützern
Energiestadt Altdorf,
Solarstammtisch Burgthann, Bürgersolar Feucht, Agenda21 Schwarzenbruck
auch zahlreiche
Betriebe mit Informationen zu neuen Technologien.
Die ehrenamtlichen
Bürgergruppen der
EnergieRegion Nürnberger Land sind der Motor der Veranstaltungen zur
Woche der Sonne.
Das Märchen vom Netzausbau?
Wirtschaftliche Interessen: Veranstaltung „Energiewende von unten“ brachte „erschreckende Erkenntnisse“WINKELHAID - „Der Netzausbau ist überdimensioniert“: Mit dieser These sorgt ein Professor für Gesprächsstoff in Winkelhaid. Der Ausbau sei zu teuer und diene vor allem wirtschaftlichen Interessen, sagte der Wissenschaftler auf der Veranstaltung „Energiewende von unten“.
Die Energiewende ist in vollem
Gange. Auch im
Landkreis. Um die
Windenergie aus dem Norden in den Süden zu transportieren, ist ein
massiver Netzausbau nötig. Sagen die Politiker. Vollkommen unnötig,
meint hingegen Lorenz Jarass – und rennt in Winkelhaid offene Türen
ein. Schließlich wäre die Gemeinde vom Netzausbau eventuell enorm
betroffen. Der geborene Deggendorfer ist Professor für
Wirtschaftswissenschaften an der Hochschule RheinMain. „Der Netzausbau
ist nur dazu da, um die Kohlekraftwerke weiter zu betreiben.“ Der
Professor war nach Winkelhaid gekommen, um das Publikum auf eloquente
Art wachzurütteln.
Für die Energiewende setzt der 62-Jährige sich schon seit Jahrzehnten
ein. Aber der Netzausbau ist für ihn ein Unding.
Ein Umbau reicht aus.
Die Kraftwerks-Betreiber haben einen Rechtsanspruch darauf, ihren Strom
ins Netz zu speisen. Ist das nicht möglich, weil die Sonne stark
scheint oder der Wind heftig bläst, erhalten sie
Ausgleichszahlungen.
160 Millionen Euro allein im vergangenen Jahr.
Foto: DerBote
Eben deshalb, so Jarass, werden die
Netze
ausgebaut: Damit zu der
fossilen zusätzlich die gesamte erneuerbare Energie eingespeist werden
kann. Auch die Windspitzen an einem böigen Tag. Allein in
Schleswig- Holstein entsteht ein Windpark, der jährlich 9000 Megawatt
Strom liefern soll. Zudem wird auch der fossile Sektor weiter
ausgebaut: In Nordrhein- Westfalen sind weitere Werke geplant. Die
ausgebauten Stromtrassen lägen nicht von ungefähr oft an
Braunkohlevorkommen in ganz Deutschland, meint Jarass.
Doch wohin mit der ganzen Menge an
Energie? „Wir
exportieren unseren
überzähligen Strom ins Ausland – für wenig Geld“, antwortet Jarass und
blickt in entsetzte Gesichter. „Was wir nicht verbrauchen, muss nicht
erzeugt werden“, hatte zuvor Winkelhaids Bürgermeister Michael Schmidt
ausgerufen.
Das, was erzeugt wird, muss zum
Verbraucher
gelangen: 19.000
Kilo- meter Starkstromleitungen führen bislang durch Deutschland, laut
NEP soll
nochmal ein Drittel, rund 6.600 Kilometer, hinzukommen. Kosten: 20
Milliarden Euro. Eben das ist ein weiterer Kritikpunkt von Jarass: Die
Kosten interessierten beim Netzausbau nicht, schließlich kommt der
Bürger dafür auf. „Das konterkariert die Energiewende“ und sorge für
schwindende Akzeptanz in der Bevölkerung.
Der Netzausbau könnte die Winkelhaider
besonders
hart treffen: Führt
doch bereits eine 220-kV-Leitung durch den Ort. Zwar kam erst der Strom
in die Gemeinde und später die Siedlung, doch die Anwohner sorgen sich,
dass die Leitung weiter ausgebaut werden könnten. Eine Sorge, die ihnen
auch Jarass nicht nehmen kann. Er kenne die Trasse zwar nicht, aber
allgemein kann er sagen: „Zuerst werden dort die Leitungen ertüchtigt,
wo es schon 220kV-Leitungen gibt.“ Ein Ausbau auf 380-kV erscheint
wahrscheinlich.
Brutal und unterhaltsam sei er auf
Defizite in der
Berichterstattung
aufmerksam gemacht worden, sagt Herbert Fuehr über die klaren Worte von
Jarass. Der ehemalige Redakteur der Nürnberger Nachrichten
moderierte den Abend. Kopfschütteln hat Jarass Vortrag auch im
Bundestag
verursacht. Dennoch: „Der Bundestag hat den NEP abgesegnet“, berichtet
der Professor.
Während es Windpark-Betreibern im Norden
vor allem
darum geht, viel
Strom in den Süden zu liefern, will die Bürgerinitiative „Runder-Tisch-
Energie Winkelhaid“ auf dezentrale Pläne setzen. Sie will konkrete
Projekte in der Region fördern und die
Bürger mit ins Boot holen. Schließlich gibt es im Landkreis noch
einiges zu tun. Das weiß auch Landrat Armin
Kroder, der an diesem Abend auf das jüngst veröffentlichte Integrierte
Klimakonzept des Landkreises hinweist. Das Potential bei der regionalen
Stromerzeugung ist bei Weitem noch
nicht ausgeschöpft. Kroder selbst sagte, dass er Jarass Vortrag
„erschreckend“ fand. „Wenn wir im Süden genügend Strom erzeugen, dürfte
sich die Frage mit den Stromtrassen aus dem Norden für die Windenergie
weniger stellen.“ Für diese Worte erntete der Landrat den Applaus des
Publikums.
Eine dezentrale, bürgernahe und
zukunftsfähige
Energieversorgung zu
schaffen, das ist die Vision von Naturstrom, führt Thilo Jungkunz,
Mitglied der Geschäftsleitung, aus. Das Unternehmen arbeitet mit
Bürgerinitiativen wie der in Winkelhaid zusammen, um Haushalte regional
mit Strom zu versorgen. Dass ein Umdenken in der Bevölkerung
stattfindet
und Deutsch- land bereits mitten in der Energiewende steckt, zeigen die
Zahlen, die Jungkunz präsentiert. Sein Unternehmen liefert zu 100
Prozent Ökostrom. Ein Konzept, das funktioniert: Seit 2008 stieg die
Anzahl der Kunden stark an. Zuletzt auf
230.000.
Kai Mirjam Kappes
(Redakteurin „Der Bote“)
Eindrücke vom Aktionstag
Die Referenten des Abends Professor Dr. Jarass von der Hochschule
RheinMain und Herr Jungkunz von Naturstrom stellten sich der Diskussion
mit dem Publikum.